12.11.2015
Auf Wiedersehen Matthias, heisst es heute! Nach einem letzten Frühstück geht es auf in das Landesinnere. Carsten holt uns um 07:00 Uhr ab und wir fahren mit ihm zuerst nach Independencia, um an seinem Hauptwohnsitz den Amarok gegen einen Jeep Grand Cherokee zu tauschen, bevor es weiter geht ins unbekannte Paraguay. Wir nutzen den Stop auch um unser Gepäck schonmal im Hotel Independencia zu verstauen. Hier bleiben wir nun bis Sonntag.
Am berüchtigten Kreisverkehr halten wir Ausschau nach seinem Farmvorarbeiter der uns heute begleiten soll. Carsten will sich einen Futtermixer zulegen. Diese Geräte kosten bis zu 60.000 Dollar, werden aber von den Mennoniten in der Landesmitte für ca. 25.000 Dollar nachgebaut. Da lohnt ein Besuch.
Nachdem wir den Chef der Rinderzucht eingesammelt haben geht es in den Norden, nach San Pedro, immer der Rute 8 entlang, immer wieder wird die Fahrt von Schikanen auf der Fahrbahn gebremst. Diese, auch Bumper genannten Erhöhungen werden durch Schilder angekündigt, gefährlich wird es, wenn so ein Schild auf wundersame Weise verschwunden ist. Übersieht man die Schikane ist ein Achsbruch fast vorprogrammiert. Wir halten für ein Mittagessen an einer guten Churasceria und lassen uns Steaks und Beilagen schmecken.
Dann geht es weiter in die metallverarbeitende Region der Mennoniten. Hier gibt es viele Werkstätten in den mit einfachen Mitteln wundersame Produkte entstehen. Quasi jegliche Landmaschine wird hier von Hand gefertigt. Sehr robust und sehr nahe am Original. Das fast jeder Schlosser hier eine John Deere Mütze trägt ist als Ehrerbietung gegenüber dem Erfinder der Konstruktionen zu verstehen.
Die Schlosserei, die wir besuchen, arbeitet gerade an einem Mixer der fast fertig gestellt ist. Die Arbeiter sind ebenfalls Mennoniten, blond, mit Segelohren und friesischem Aussehen. Von dort stammen die Meisten auch ab. Der Mixer wird ausgiebig besichtigt und gewünschte Veränderungen diskutiert. Es kommt zu einem Geschäftsabschluss. Die Arbeiten am speziell für Carstens Wünsche angepassten Modell sollen am nächsten Tag beginnen. Fertigstellung ist noch im Dezember. Unglaublich, was man mit 6 Leuten alles schaffen kann.
Die Auftragslage ist schlecht zur Zeit. Grund ist die Entführung eines Glaubensbruders durch die hiesige Guerilla.
Das Auswärtige Amt schreibt dazu:
Der nördliche Teil der Provinz San Pedro und der südliche Teil der Provinz Concepción gelten weiterhin als Operationsgebiet der paraguayischen Guerilla-Organisation EPP (Ejercito Popular Paraguayo). Bei ihren Anschlägen hat es die EPP hauptsächlich auf Polizei, Militär und paraguayische sowie auch ausländische Großgrundbesitzer abgesehen. Sie stiehlt Vieh und erpresst Lösegeld durch Entführungen. Ihre Anschläge können gewaltsam sein; es werden auch Schusswaffen und Sprengstoff eingesetzt.
Interessant wo wir gerade sind!
Die Temperaturen erreichen in dieser Region, die von Trockenheit geprägt ist, gerne mal über 40 Grad. Wir schwitzen heute bei über 39 Grad und sind sehr dankbar, dass die Klimaanlage im Jeep funktioniert.
Dieser bringt uns auf den ersten Mennoniten Hof. An der Weggabelung “Gnadenthal” biegen wir ab und fahren auf den Hof. Ein blondes Mädchen im blauen Kleid hüpft auf dem Trampolin und zieht sich erschrocken zurück als sie uns sieht. Der Vater kommt wenig später aus einem Schuppen, er ist eine perfekte Kopie des Mannes, der Carsten den Futtermischer verkauft hat. Markante abstehende Ohren, blondes Haar, das in der gleichen Weise geschnitten ist wie bei seiner Kopie. Selbst die Hose sieht identisch aus.
Carsten fragt nach Folie um Heuballen einzupacken und wird zu Hof Nummer 8 verwiesen, der am Weg Schanzensprung liegt. Als wir auf den Hof fahren sind dort zwei weitere Mädchen, beide sehen dem Mädchen von vorher so ähnlich wie ein Ei dem Anderen. Ich komme mir vor wie in einer Akte X Folge, in der Scully und Mulder auf eine Kolonie mit Menschen stoßen, die von Aliens geklont wurden.
Vater und Sohn kommen vom Feld, beide weitere Kopien der vorigen Männer, sie telefonieren auf Plattdeutsch mit Herren der Folien, das Gespräch endet mit dem Hinweis, dass sie ruhig einen kräftigen Preisaufschlag berechnen sollen. Carsten, der das Gespräch in spanisch begonnen hat, verabschiedet sich auf deutsch. Der Mennonitenklon schluckt ein wenig.
Auf dem letzten Hof, bekommt Carsten dann die gewünschte Auskunft, man will ihm nicht nur die Folie verkaufen, sondern auch die Dienstleistung die Strohballen damit einzuwickeln. Nein, die Entfernung von 350km wäre kein Problem. Carsten bleibt unverbindlich und verspricht sich zu melden.
Um 19:00 Uhr geht ein interessanter Tag, der uns viele neue Eindrücke gebracht hat zu Ende. Später erreichen uns noch die Nachrichten aus Frankreich. Wir sind erschüttert.
Fakten:
Paraguay hat eine Fläche von rund 406.000 Quadratkilometern, Deutschland von 357.000 Quadratkilometern. In Paraguay leben 16 Einwohner auf einem Quadratkilometer, in Deutschland 227. Die Einwohnerzahl in Paraguay liegt demnach bei rund 7 Millionen Menschen und bei uns bei rund 81 Millionen Menschen.
Es gibt also viel Platz in Paraguay, die wenigen Menschen haben es geschafft riesige Flächen von tropischen Wäldern zu vernichten um genmanipulierte Sojapflanzen, Sonnenblumen und Zuckerrohr anzupflanzen, oder um ihre Rinder über hunderte Hektar große Weiden zu treiben. Unterstützt von der Weltwirtschaft, die sich über billigen Soja und noch billigeren Rohrzucker freut um mit verfallenden Preisen dennoch die Wirtschaft in Paraguay in die Knie zu zwingen.
Ein Waldinvestment bietet natürlich keine Lösung all dieser Probleme, aber es ist doch ein Schritt in eine Richtung, die nicht nur einen Kapitalrückfluss des Investor verspricht sondern auch Menschen in ein sicheres Beschäftigungsverhältnis führt. Zudem würde die Umwelt von einer großflächigen Aufzucht auch ihren Profit davontragen.
Lange Tage und angenehme Nächte!
Sascha