Südamerika – Brasilien – Rio de Janeiro I – Tag 1

31.10.2015 – 1.11.2015

Während ich diese Zeilen schreibe wird auf der anderen Seite des Tals vor unserem Fenster ein Feuerwerk abgebrannt. Die ersten Salven hören sich wie Schüsse an, kurz halte ich inne und werde mir wieder der Nähe zu den Favelas bewusst. Wir sind in Rio de Janeiro, der Stadt am Zuckerhut. Aber der Reihe nach.

Die Mutter unserer Enkeltochter hat uns am Samstag nach Frankfurt verfrachtet, unser Abflug ist um 22:15, wir sind pünktlich, viel zu pünktlich. Um 18:30 Uhr stehen wir in der Halle B vom Terminal 2. Da wir (erstmals) mit Rucksäcken reisen wird uns die kundenunfreundliche “do it yourself Gepäckaufgabe” der Lufthansa verweigert und wir dürfen unsere Rucksäcke bei richtigen Menschen an einem Schalter aufgeben. Wir nutzen die Gelegenheit und fragen nach einem Upgrade in die Businessklasse.

Die freundliche, und glücklicherweise nicht gerade in einem Streik befindliche, Angestellt teilt uns mit, dass sie uns nur ein Upgrade in die Economy-Plus-Klasse anbieten kann. Dies soll pro Person nur 349 Euro kosten.
Wir lehnen dankend ab, da wir schon Sitze mit mehr Beinfreiheit reserviert haben und wir gut auf Porzellangeschirr und einen Orangensaft vor dem Abflug verzichten können. Für ein Upgrade in die Businessklasse wenden wir uns vertrauensvoll an den Lufthansa Ticketservice. Wir müssen eine Nummer ziehen, wie auf dem Arbeits- oder Straßenverkehrsamt. Zum Glück ist nicht viel los und wir werden direkt an den Schalter 6 gerufen.

Die junge Dame (auch nicht im Streik – noch nicht), erklärt uns, dass wir durch die frühe Buchung schon einen sehr günstigen Preis bekommen haben und sie uns ein Upgrade nur für beide Strecken anbieten könne. Der Preis ist allerdings wenig überzeugend, die liebe Lufthansa will für beide Strecken für beide Personen nur 6.000€ Aufpreis. Wir lehnen kopfschüttelnd und gerne ab.

Boarding, Flug und Landung verlaufen sehr angenehm. Die ist, was mich angeht, den Schlaftabletten geschuldet, die meinen Flug auf einen gefühlten Mittelstreckenflug zusammenschmelzen lassen.
In Rio angekommen, werden wir zügig an der Passkontrolle abgefertigt und erhalten als Ausgleich dafür unsere Rucksäcke so ziemlich als letzte. Am Ausgang fragen wir am ersten Taxistand nach dem Preis für eine Fahrt nach Santa Teresa, die Ansage von 110 Reais stellt mich nicht wirklich zufrieden. Wir versuchen den nächsten Stand und sind mit 79 Reais sehr zufrieden!

Nun noch Geld holen, aus dem Internet wissen wir, dass es das im 2. Stock gibt. Wir fahren mit einem klapprigen Aufzug nach oben und reihen uns in eine der zwei Schlangen vor den drei Geldautomaten ein (einer ist defekt).
Der Mann vor uns scheitert kläglich beim Geld abheben und ich brauche auch zwei Versuche, bis ich mit dem recht eigenwillig übersetzten Englisch am Automaten klar komme.

Das vorausbezahlte Taxi bringt uns nach einer rasanten Fahrt (zeitweise waren alle vier Räder ohne Bodenkontakt!), zur gewünschten Adresse.
Ana unser Airbnb-Host empfängt uns sehr freundlich und wir fühlen uns direkt wie zuhause. Wir beziehen unser Zimmer und Ana bereitet uns ein tolles Frühstück. Gegen 08:30 Uhr Ortszeit essen wir ihre selbst gemachten Köstlichkeiten. Leckeres Brot, Müsli, eine halbe Papaya, frisch gepresster Mangosaft, Marmeladen, Wurst und Käse. Einfach köstlich!
Satt und zufrieden holen wir noch eine Stunde Schlaf nach.

Ausgeruht folgen wir den freundlichen und ausführlichen Ratschlägen unserer Vermieterin und laufen ins Zentrum von Santa Teresa. Es geht gleichmäßig bergab und wir können unterwegs die Aussicht auf Rio genießen.
Der Weg zieht sich einige Kilometer in die Länge, und als wir an unserem Ziel dem Parque des Ruinas ankommen ist der Name für uns Programm. Da kann auch der kurze Zwischenstopp im Supermarkt nichts mehr daran ändern. Wir sind platt!
Für uns Grund genug, den Bus für den Rückweg zu wählen. Die Fahrt kostet bis zur jeweiligen Endstation 3,40 Reais, also gut 80 Cent pro Person.

Dafür bekommt man dann aber auch was geboten. Eine Achterbahnfahrt mit fünf Loopings ist nichts dagegen. Diese tollkühnen Kisten sind eigentlich Schrottreif, aber ihre noch tollkühneren Piloten nehmen auf solche Lächerlichkeiten keine Rücksicht. So werden die Passagiere im Inneren wie lose Gegenstände auf der Ladefläche eines Pickups hin und her geschleudert. Da hilft oft auch kein noch so krampfhaftes Festhalten. Auf dem Notsitz sitzt ein Junge, sein Eis tropft den Boden voll und ihm macht die rasante Fahrt offensichtlich viel Freude. Daran ändert auch nichts, dass ihm der linke Arm unterhalb des Ellenbogen fehlt.

Der Bus spuckt uns gut durchgerüttelt vor unsere Bleibe wieder aus. Wir suchen Erholung in einem weiteren Nickerchen. Als wir wieder aufwachen sitzt im Zimmer nebenan eine alte füllige Dame am Computer und surft im Internet. Später stellt sie sich als deutsche Auswanderin bei uns vor, mit 17 Jahren ist sie nach Rio gekommen und lebt dort nun seit 63 Jahren. Sie geniesst die kurze Konversation mit uns und entschwindet dann wieder in ihr Heim in der Nachbarschaft.

Todesmutig nehmen wir am Nachmittag wieder den Bus den Berg hinunter. Wir haben Hunger, im ersten Restaurant warten wir ewig auf die Bedienung, die gewünschten Speisen sind leider aus – und wir gleich darauf raus. Wir versuchen es in einem anderen Laden. Wir bekommen gutes Essen, allerdings auch zu einem guten Preis. Inklusive Getränke (1 Wasser, 2 Bier, 2 Caipi) sind wir knapp 50 Euro los. Was für hiesige Verhältnisse nicht wenig ist.
Satt und müde geht es mit dem Bus zurück. Irgendwie können wir gerade nicht glauben, dass wir erst seit heute hier sind. Es kommt uns vor, als wären wir schon tagelang hier.

Lange Tage und angenehme Nächte!

Sascha

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