Hospital – Days Part II

Day 1

19.5.2014 – 15:00 Uhr

Die Metallplatte samt den Schrauben auf meinem Schlüsselbein soll entfernt werden.
Pünktlich treffe ich in der orthopädischen Ambulanz im Marienhospital in Gelsenkirchen-Ückendorf ein. Stolz überreiche ich der Schwester in der Anmeldung mein ausgedrucktes Röntgenbild, meine Krankenkassenkarte, meine Einweisung und natürlich meine Überweisung, eben all die tollen Dinge auf die ich bei meinem Chirurgen knapp fünf Stunden gewartet habe um dann zu erfahren, dass es einer persönlichen Vorstellung und Untersuchung im Marienhospital bedarf, der ich nun drei Wochen entgegenfiebern durfte.

Röntgenbild und Einweisung bekomme ich wieder, für die Einweisung sei es noch viel zu früh und das Bild würde gerne dem Arzt von mir persönlich vorgestellt werden.

Ehe ich mich versehe stehe ich neben den etwa zehn anderen wartenden Patienten auf dem Flur. Der Termin für 15:00 Uhr entpuppt sich als genereller Sammeltermin für alle Interessierten der Orthopädie. Nach einer halben Stunde wird ein Sitzplatz frei, ich plumpse erleichtert darauf und beginne intensive Studien in den ausgelegten Zeitschriften, ich arbeite mich durch den Stern direkt zum Spiegel weiter, um dann in der Bunten endgültig jegliches Leseniveau zu verlieren. Die Uhr an der Wand verhöhnt mich mit ihrem Ziffernblatt auf dem sich die Zeiger zu 16:45 Uhr verschoben haben. Das Wartezimmer hat sich fast geleert als mein Name aufgerufen wird.

Es hätte eh keiner mehr neben mir sitzen wollen, da die Geräusche aus meinem hungrigen Magen jeden vertreiben würden. Ich knurre also synchron zu meinem Magen ein “Ja” und stolpere entkräftet in das Behandlungszimmer. Der junge Arzt begrüßt mich freundlich und fragt nach meinem Begehr.
Ich brumme etwas von Metallentfernung und Clavicula und überreiche stolz meinen Ausdruck des Röntgenbildes.

Der Medizinmann schüttelt mitleidig den Kopf und verkündet mir, dass Röntgenbilder auf Papier leider keinerlei Aussagekraft besitzen und er mich deswegen zum Röntgen schickt. Einmal bitte in das Erdgeschoss den Flur entlang gleich rechts. Meine Begeisterung zur Schau stellend und meinen Magen hinter mir herziehend, schleppe ich mich in die Radiologie. Schade, dass die Anmeldung dort seit wenigen Minuten nicht mehr besetzt ist. Ich warte also hungrig darauf, dass sich jemand blicken lässt.

Zum Glück bin ich nicht alleine und kann mit meinem knurrenden Magen noch andere Wartende beeindrucken. Gegen 17:30 Uhr fragt mich ein Weißkittel ob ich mich schon angemeldet hätte. Ich verweise auf die Orthopädie, die mich doch schickt und verliere kurz die Kontenance als er mich anguckt als hätte ich gerade bei Ihm Fritten mit Majonäse bestellt. In diesem Moment kommt die Schwester aus der Orthopädie und überreicht ihm geheimnisvolle Papiere.

Ich starre der Schwester hinterher, die sich wieder entfernt und beschließe mich nicht länger zu fragen, warum sie mich nicht vor gut 2,5 Stunden schon zum Röntgen geschickt hat, nämlich genau zu der Zeit, als sie das erste Mal meinen nutzlosen Papierausdruck in den Händen hielt und ihn mir Zwecks Präsentation beim Doktor zurück gab. Ich werde es nie erfahren.

Gegen 17:45 wird mein Thorax erneut geröntgt. Ich trolle mich wieder zur orthopädischen Ambulanz die jetzt völlig ausgestorben vor mir liegt. Es ist 18:00 Uhr und ich kann vor Hunger kaum sprechen als der Arzt sich wieder die Ehre gibt. Für die Beschwerden über die langen Wartezeiten und meinen nahenden Hungertod hat er nur geringes Verständnis. Er könne halt auch nur arbeiten.

Er studiert sehr intensiv mein Röntgenbild – quasi mit Röntgenblick und verkündet mir dann, dass er nicht sicher ist ob der Bruch verheilt ist, da auf dem Bild ein Schatten an der Bruchstelle zu sehen ist. Er möchte diesen Befund mit einem Radiologen besprechen der einen noch besseren Röntgenblick hat, oder einen besseren Monitor, wie auch immer. Er bietet mir an, mich am nächsten Tag anzurufen und mir das Ergebnis der Begutachtung mitzuteilen. Ich will nur noch essen, stimme zu und verschwinde in Windeseile nach Hause.

Day 2

20.5.2014

Noch beeindruckt von meinem knapp 3,5 Stunden langen Aufenthalt im Marienhospital am Vortag warte ich auf den Anruf der am frühen Nachmittag erfolgt. Der Arzt vom Vortag erklärt mir, dass der Radiologe auch zu keinem Ergebnis gekommen ist, ausser zu dem Schluss, dass ein weiteres bildgebendes Verfahren, in diesem Fall ein CT, Aufschluss geben könnte. Ich möge doch bitte am 26.5.2014 zu einer Terminabsprache für das CT wieder in das Hospital kommen. Ich vermute einen kurzfristigen Tinnitus meinerseits und bitte um Wiederholung der Aussage. Die erfolgt prompt, nun ist es an mir zu fragen ob die Klinik nicht über so moderne Errungenschaften wie das Telefon im Bereich der Radiologie verfüge, in der Orthopädie hätten sie es ja schon, sonst könne er ja jetzt nicht mit mir sprechen.

Der Arzt ist etwas verblüfft, also erkläre ich ihm, dass ich mit Nichten die Absicht hätte die Klinik aufzusuchen nur um einen Termin abzusprechen, das müsse doch auch fernmündlich gehen (also am Telefon – schiebe ich noch hinterher).

Ach ja – stimmt er zu, das ginge, er gibt mir gleich mal die Nummer und meldet mich dort an. Ich will ihn nicht überfordern und unterlasse den Vorschlag mich doch gleich durchzustellen. Brav notiere ich die Nummer und erfahre wenige Minuten später, dass die Terminvergabe erst am nächsten Tag wieder möglich ist, da die Anmeldung jetzt geschlossen hat, ein Blick auf die Uhr bestätigt eine Uhrzeit kurz nach Fünf.

Day 3

21.5.2014

Ich erhalte an diesem Morgen einen Termin für den 26.5.2014 – diesmal nicht um an diesem Tag einen Termin auszumachen, sondern für das hoffentlich alles aufklärende CT selbst!

Day 4

26.5.2014

Wie gewünscht melde ich mich zuerst wieder in der orthopädischen Ambulanz, dort freut man sich mir mitteilen zu können, dass ich bereits in der Radiologie angemeldet bin und das man jetzt nur noch kurz mit mir einen Termin vereinbaren muss.

Wieder vermute ich diesen Tinnitus im Ohr – was zur Hölle für einen Termin? Mir dämmert es plötzlich und ich frage, um Fassung ringend, ob die gute Frau damit meint, dass ich heute nur ein CT bekomme und dieses erst zu einem späteren Zeitpunkt besprochen wird. Sie nickt eifrig und versichert mir, dass die einwöchige Wartezeit bis zum Besprechungstermin sinnvoll genutzt wird, damit sich Orthopäde und Radiologe aufs Schärfste über den Befund austauschen.

Während ich meine Unterlippe zerbeiße nicke ich stumm, stecke den Terminzettel ein und trolle mich zur Radiologie. Das CT ist in weniger als 20 Minuten Geschichte und ich fahre, um eine weitere kuriose Erfahrung reicher, heim.

Day 5

02.06.2014

Den Weg in die orthopädische Ambulanz finde ich mit schlafwandlerischer Sicherheit. In der Anmeldung sind alle drei Schwestern mit einem kniffeligen Computerproblem beschäftigt, der Arzt von Day 1 ist auch da und erkennt mich wieder. Ich soll kurz noch warten, er ruft mal in der Radiologie an, damit sich jemand die CT-Bilder anguckt. Ich fluche in mich hinein und frage mich wozu die Herren denn jetzt eine Woche Zeit hatten und nehme desillusioniert im Flur Platz.

Nach etwa einer halben Stunde ruft der Arzt mich zu sich. Zu allererst interessiert ihn mein Sättigungsgefühl und der Grad meiner Nahrungszuführung. Ich habe wohl an Day 1 einen gewissen Eindruck hinterlassen. Nachdem ich ihm versichere heute ausreichend vor meinem Besuch gespeist zu haben, erklärt er mir, dass der Radiologe der Ansicht ist, dass mein Bruch wahrscheinlich gut verheilt ist. Leider kann man das abschließend nicht beurteilen, da die in Bruchnähe verwendeten Schrauben Schatten werfen.

Folgende geniale Vorgehensweise wird mit mir vereinbart – aufmachen und nachgucken. Begeistert stimme ich zu. Da haben sich doch die 5 Tage gelohnt, endlich Ungewissheit.
Im Anschluss vereinbare ich einen OP-Termin für den 23.6.2014 und bestelle dazu auch gleich ein Einzelzimmer. Das ging ja alles sehr schnell und unkompliziert, murmele ich auf dem Weg zu meinem Auto mantramäßig vor mich hin. Bis ich zuhause bin glaube ich es sogar fast.

Day 6

20.6.2014

Prästationäre Aufnahme. Pünktlich melde ich mich um 09:20 an der Anmeldung zur prästationären Aufnahme. Ich bekomme Nummer 88 und stelle belustigt fest, dass Nummer 82 gerade in der Kabine 3 abgefertigt wird. Es gibt derer vier, drei der Kabinen sind besetzt, in einer (eben Kabine 3) werden die wartenden zukünftigen Bettenbeleger aufgenommen.

Offensichtlich muss man bei der Aufnahme seine gesamte Krankengeschichte, plus die von Oma Trude und der Nachbarin Else mit dem Verwaltungspersonal besprechen, denn die Prozedur dauert bei den ersten zwei Aufnahmen über 20 Minuten. Als die Sitzplätze im Foyer knapp werden wird freundlicher Weise auch noch Kabine 2 in den Prozess integriert. Als meine Nummer aufgerufen wird beschränke ich mich auf meine eigene Krankengeschichte, unterschreibe die gefühlten hundert Formulare und finde mich kurz darauf an alter Stelle wieder.

Ich begrüße die Schwester in der orthopädischen Ambulanz wie eine langjährige Kollegin auf der Arbeit und widme mich kurz darauf wieder einer meditativen Geduldsübung auf dem Flur. Nach gut 45 Minuten Meditation mit Gleichgesinnten stellt mir ein fremder Arzt wieder alle die Fragen die mir Arzt Nr. 1 schon an Day 1 gestellt hat. Ja – Allergien, ja Heuschnupfen, ja die Clavicula, ja kann sein, dass es nicht verwachsen ist, ja bitte direkt reparieren wenn nicht verwachsen.

Ich bekomme eine Laufkarte die mir mitteilt, dass noch die Anästhesie, die Kardiologie und die Station 7B meinen Tag gestalten werden. Im Warteraum für das Aufklärungsgespräch beim Narkosearzt treffe ich alle Mitwartenden aus dem Foyer und der orthopädischen Ambulanz wieder. Ich beginne damit diesen verhassten Fragebogen für Narkosen auszufüllen. Ich bin schon bei der ersten Frage genervt – Alter und Gewicht, schwierig sich an die Realität zu halten und nicht in Wunschträumen zu versinken. Die Spalte für bereits durchgeführte Operationen ist wie immer zu klein, nein, schwanger bin ich nicht, und ja – Allergien – Heuschnupfen.

Die Aufklärungsgespräche vor mir dauern eine gefühlte Ewigkeit, wie schreibt Kant im 18. Jahrhundert: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Da sind vor mir aber ein paar Paradebeispiele an Unmündigkeit am Werke!

Als vor mir dann noch die Mutter mit ihren beiden Söhnen, die vermutlich eine gemeinsame Bar Mizwa feiern wollen, hereingerufen wird, muss ich nach gut 20 Minuten davon ausgehen, dass die Kinder auch gleich für ihr gesamtes Leben aufgeklärt werden, die kommen gar nicht mehr raus.

Als noch ein aufklärungswilliger Patient sich anmelden will teilt ihm die Schwester mit, dass er noch in Ruhe einen Kaffe trinken kann und in einer Stunde wiederkommen soll, da die Narkoseärztin jetzt zu einem Notfall auf die Station müsse. Um Fassung ringend frage ich nach, ob das auch für mich eine gewisse Gültigkeit hätte, es wäre schon nach zwölf und ich hätte an diesem Tag noch was vor. Sie wisse es nicht, sagt sie mir und fügt noch pampig hinzu, dass es schließlich ein Notfall wäre, das könne mir ja auch passieren und das ich dafür doch Verständnis haben müsste.

Aber natürlich habe ich Verständnis dafür, dass es anscheinend nur eine Narkoseärztin im gesamten Krankenhaus gibt, die Aufklärungsgespräche führt und wohl dabei auch noch einen Bereitschaftsdienst leistet.

Erleichtert stelle ich fest, dass sie Mitleid mit mir hat und den Notfall noch etwas leiden lässt. Ich nehme Platz und wir besprechen den Narkosebogen, gerne beantworte ich nochmals alle Fragen, die ich schon schriftlich beantwortet habe auch noch mal mündlich, und ja – Allergien – Heuschnupfen. Ich oute mich als alter Narkoseprofi der mit allem Einverstanden ist und bin keine zehn Minuten später auf dem Weg zum EKG.
Die Anmeldung ist verwaist, ein Schild kündet davon, dass man gleich wieder da sei. Tatsächlich ist das EKG nach gut 15 Minuten Geschichte und ich fahre mit dem Aufzug in den 7. Stock – Station 7B.

Vertraute Gesichter, alle noch da vom letzten Jahr – prima! Ich werde sehr freundlich empfangen und darf mich noch kurz an einen Tisch setzen. Die Schwester eilt zu mir – sie hat noch ein paar Fragen, ja – Allergien – Heuschnupfen.

Es ist 13:00 Uhr als ich das Krankenhaus verlasse – Tschüss bis Montag.

Day 7

Um 06.40 Uhr am 23.6.2014 stehe ich wieder an der Anmeldung, ein Armband, dass mich als Fallnr: 214555282 ausweist liegt für mich bereit. Ich nehme meinen Kopfhörer und WLAN-Code in Empfang und lade am Automaten meine Telefonkarte auf. In der Station 7B werde ich schon erwartet und in mein Zimmer geleitet. Ich habe ein Dreibettzimmer zur alleinigen Nutzung.

Auf dem Nachttisch liegt mein OP-Hemd zusammen mit der sexy Netzhose. Mein OP-Termin ist für 09:30 Uhr angesetzt teilt mir die nette Schwester mit. Kurz nach 10:00 Uhr werde ich in den OP-Vorbereitungsraum gebracht. Auf dem grossen Flachbildschirm läuft ein Actionfilm auf Pro 7, sehr meditativ und beruhigend.

Ein Pfleger fragt noch mal die wichtigsten Dinge ab – Name, Alter, welche Schulter – ja –  Allergien – Heuschnupfen.

Eine Schwester versucht mit einer ihr eigenen Art der Akupunktur mich in die Narkose zu stechen. Nach zwei Fehlversuchen mir einen Zugang zu legen und einer durchstochenen Vene kommt ihre Kollegin und ist auf Anhieb erfolgreich. Kurze Zeit später strömt das Narkosemittel in meine Vene und lässt mich mit diesem wunderbaren Flash in die Bewusstlosigkeit abgleiten.

Gegen 12:15 Uhr erwache ich im extra dafür eingerichteten Aufwachraum. Mein Hand fährt an die Hüfte und erleichtert stelle ich fest, dass ich dort keine Wunde und keinen Schlauch vorfinde. Also wurde nur die Platte entfernt. Ich dämmere weg und werde irgendwann zurück auf das Zimmer geschoben.

Dort wartet sogar ein Mittagessen, lecker, Hühnerfrikassee mit Spargel – ich hasse Spargel. Die Opiate stellen Schmerzfreiheit her, leider wohl auch eine gewisse Übelkeit, mehrfach bin ich kurz davor mir das eine oder andere nochmals durch den Kopf gehen zu lassen.

Als die beste Ehefrau der Welt erscheint bin ich immer noch weich in der Birne und meine Gedanken drehen sich um Tikatakatukaland. Mühsam stelle ich mein Essen für den nächsten Tag zusammen, die eigentliche Essensaufnahme war natürlich während ich im OP weilte. Aber die nette Schwester nimmt alles auf und gibt es in den Computer ein. Das Abendbrot will nicht schmecken und ich dämmere immer noch mit einer Grundübelkeit zwischen Realität und Traumwelt dahin.

Die Nacht verbringe ich genau so. Ich sehe Fußball, aber es sind mir entschieden zu viele Bälle und Spieler auf dem Feld, nein es sind sogar Felder.

Day 8

Ich fiebere meinem Frühstück entgegen, vorher noch Visite, der Chefarzt und Oberarzt sind zum Glück immer noch die selben, ich fühle mich gut aufgehoben, und man erinnert sich sogar an mich. Ich hatte unter dem Einfluss von Opiaten im letzten Jahr eine gigantische Lobesmail verfasst die bis jetzt wohl noch nachwirkt.

Um so ernüchternder dann das mir präsentierte Frühstück. Auf dem Tablett liegt ein Brötchen, eine Scheibe Brot und vier Scheiben Käse.

Ich verkünde nachdrücklich meinen Unmut und das Tablett verschwindet wieder. Kurz bevor ich unterzuckert in den Wahnsinn abdrifte bekomme ich annähernd das was ich bestellt habe. Sicherheitshalber gebe ich die komplette Bestellung für den Tag erneut auf.
Mein Opiat wird abgesetzt und die schrecklichen Tropfen durch Tabletten ersetzt. Ich komme langsam wieder zurück in die Realität.

Als das Mittagessen kommt weist mich die Schwester darauf hin, dass wenn ich auch nur noch einmal so etwas wieder bestelle, ich doch gefälligst auch einen Hubwagen dazu bestellen soll. Sie wuchtet mein etwas überladenes und schweres Tablett auf den Tisch, wünscht mir mit einem diabolischen Grinsen einen guten Appetit und überlässt mich dem üppigen Mahl.

Ich lupfe den Deckel und blicke auf zwei faustgroße Folienkartoffeln, die auf einem Doppelbett aus Möhren und Erbsen thronen. Dazu eine riesige Schüssel Kräuterquark, mein Vorspeisensalat mit Putenbruststreifen, die sich als Pressfleisch entpuppen, ein gehöriges Stück Kuchen inklusive der Kaffeetasse, ein Beilagensalat und nicht zu vergessen die Obstschale als Nachspeise. Alleine von dem Anblick bin ich schlagartig satt.

Leider sind in der Krankenhausküche Pfeffer und Salz zwei unbekannte Größen in der Gleichung für ein gelungenes Mittagessen und so bleibt weit über die Hälfte auf dem Tablett, welches ich unter Aufbringung enormer Kräfte einhändig zurück zum Essenswagen schleppe. Kuchen und Obstschale habe ich natürlich vorher in meine Vorratshöhle (Kühlschrank) verschleppt.

Ich ziehe meine Jogginghose an und hartze ein wenig bei irgendwelchen Dailysoaps rum. Kurz bevor das Endstadium der Verblödung erreicht ist dämmere ich zum Glück weg.

Meine bessere Hälfte kommt gerade noch rechtzeitig um mein ausgefallenes Abendessen mitzubekommen. Es verhält sich mit dem ausgefallenen Abendessen genauso wie mit dem ausgefallenen Sex mancher Leute. Montags ausgefallen, Dienstag ausgefallen, Mittwoch ausgefallen usw..

Mein Name inklusive Bettnummer ist auf mysteriöse Weise aus dem Computer verschwunden und mein Abendessen natürlich gleich mit. Eine nette Stationsschwester organisiert mir ein Essen aus der Gynäkologie. Bei weitem nicht das was ich bestellt habe, aber zumindest nichts von Hipp oder Alete.

Der Abend gehört der WM und diesem Blog hier. Ohne Opiate fällt das Schreiben doch viel leichter.

Day 9

Früh raus, duschen, lesen und dösen. Visite, dann habe ich ein ausgefallenes Frühstück, es gibt mich immer noch, oder wieder, nicht im System. Bei den Schwestern liegen die Nerven blank, trotzdem bemühen sie sich um ein Ersatzessen, welches zu meiner Zufriedenheit ausfällt. Man nimmt meine Bestellung auf, die ich bereits auswendig beten kann. Kurz darauf teile ich der Küche meinen Frust persönlich mit, dort fühlt man sich zu unrecht beschuldigt und schiebt es auf die Schwestern und das Computersystem.

Ich freue mich.

Es dauert nicht lange bis ein Azubi mich fragt was ich zum Mittag essen möchte, ich weiss nicht recht ob ich lachen oder weinen soll und suche bei Google-Maps nach Restaurants in der Nähe.

Eine andere Schwester nimmt das Frühstück für den nächsten Tag auf – wir müssen beide über diesen sinnlosen Akt lachen.

Wie durch ein Wunder erhalte ich das richtige Essen, ok, es fehlt der Kuchen und die Kaffeetasse, aber dafür habe ich ja diese wunderbaren Schwestern hier auf der Station. Das Gewünschte wird in Windeseile aus dem Hut gezaubert. Tolle Mädels und Jungs hier. Mahlzeit – und danach verschärftes Dösen. Morgen werde ich entlassen, alles worum ich mich sorge ist das Abendessen und das Frühstück morgen früh. Ich bestelle zum zweiten Mal das Abendessen und zum dritten Mal das Frühstück.

Als die Tür aufgeht und man mir ein Aufnahmeessen offeriert verliere ich kurz die Fassung und stelle die Forderung sofort das von mir schon zweimal heute bestellte Essen zu bringen – einzige akzeptierte Alternative wäre der Kopf des Küchenchefs. Der arme Pfleger schaut noch mal nach und bringt mir stolz ein anderes Tablett auf dem der handgeschrieben Zettel seines Kollegen von heute Mittag liegt. Ich beruhige mich kurz und entschuldige mich, nur um kurz nachdem er aus dem Zimmer ist festzustellen, dass man offensichtlich in der Küche zu blöd ist handgeschriebene Zettel zu lesen. Ich finde Käse, Margarine und Joghurt – steht alles nicht auf dem Zettel, dafür suche ich vergeblich den Salat und die Leberwurst.

Eine liebe Schwester fordert das fehlende in der Küche nach und bereitet mich auf eine halbstündige Wartezeit vor. Ich flüchte mich in die WM und warte auf die beste Ehefrau der Welt. Die Küche liefert die Leberwurst nach, vom Salat kein Spur – unfassbar!

Lange Tage und angenehme Nächte!

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