Tag zwei unserer Fernwehbekämpfungstour beginnt gegen 5:00 Uhr morgens. Der Muezzin ruft uns zum Gebet. Wir können dem Ruf widerstehen und dösen wieder weg. Mit etwas mehr Tageslicht und einige Stunden später sitzen wir bei einem ausgiebigen Frühstück. Der freundliche junge Mann serviert uns Spiegeleier, Omelette, Baguette, Honig, Marmelade, etwas rundes in Teig ausgebackenes, Butter, Joghurt und Quark aber was am wichtigsten ist – wirklich guten Kaffee.
Es zieht uns wieder in die Medina, wir alleine, keine Führung und keine Idee was kommt. Einfach treiben lassen und dem Zauber des Orients erliegen. Was macht solche Orte aus? Ist es dieses einzigartige Konglomerat von Gerüchen, diese spezielle Note von Qualm, Gewürz, Urin, Schweiß und Abfällen, die wie eine Glocke über der Medina liegt? Oder doch eher das hektische Treiben, die visuellen Überreizungen wenn man aus der engen verstaubten Gasse in den riesige Hof einer Schule oder Moschee tritt? Die Zeit ist hier vor hunderten Jahren stehen geblieben. Und dieses Bild wird hier, im Gegensatz zu Marrakech, nicht durch Mopeds, Roller oder sonstiges zweirädriges Motorgerät gestört. Hier transportieren Esel und Maultiere alle Waren, oder Menschen ziehen alte Holzkarren.
Alles ist authentisch, eigentlich stören nur die Touristengruppen, die auf ihren Rundreisen durch die Stadt geschleust werden. Aber bitte nicht jeder einzeln stehen bleiben und an den Ständen und Läden gucken, dafür reicht nun wirklich nicht die Zeit! So erklärt es lautstark der einheimische Führer seiner deutschen Gruppe, in der jeder so seine eigene Idee einer Stadtführung hat.
Uns fallen die ärmsten auf, die denen nur das Betteln bleibt. Die Einheimischen geben kleine Beträge, Touristen sehen angestrengt weg. Die Händler in Fès sind mit Abstand die zurückhaltendsten denen wir jemals im Orient begegnet sind. Wir können in Geschäften die Ware in Ruhe besichtigen und niemand ist böse wenn wir nichts kaufen. Man freut sich wenn wir mit dem typischen marokkanischen Gruß „La Bass (لا باس)“ in ein Geschäft eintreten, Respekt erweisen gegen über der Sprache und der Kultur.
Die Medina schluckt uns durch das Tor, durch das sie uns gestern ausgespuckt hat. Wir folgen der braunen Route die uns in den höher gelegenen Teil der Medina führt, zu dem Tor an dem gestern die erste Erkundung mit unserer Führerin begann. Wir finden zu unserer großen Überraschung alle Orte wieder die wir gestern bestaunen durften. Auch als wir in eine kleine Gasse abbiegen die nicht breiter als fünfzig Zentimeter ist und direkt in ein dusteres Nichts führt, fühlen wir uns nicht unsicher. Wir kehren um und werden mit freundlicher Unterstützung der Einheimischen auf den richtigen Weg zurück geführt. In einem kleinen Eckgeschäft finden wir eine wunderschöne kleine Handtasche aus Leder für meine bessere und schönere Hälfte. Selbst das Verhandeln mit dem Verkäufer geht schnell und angenehm vonstatten . Er verlangt 180 MAD, ich biete 90, wir treffen uns nach kurzer Zeit bei 125 MAD. Ein wirklich fairer Preis, keine 12€.
Ein weiterer Beweis, das hier die Zeit viel langsamer vergeht als bei uns, bietet sich bei einem Blick in einen Laden an, der ausschließlich Kassetten verkauft. Ihr habt vergessen was das ist? Oder seit noch zu jung um es zu kennen?
Am oberen Ende unserer Route angekommen kehren wir durch das Fleischerviertel zurück. Die Stände sind nichts für zart besaitete Seelen. Dort hängen Gedärme über dem Haken, gegenüber hängt der abgetrennte Kopf eines Kamels neben seinen restlichen Körperteilen. Hackfleisch liegt neben Pansen, nichts ist gekühlt aber es stinkt auch nichts, ein sicheres Indiz dafür, dass hier nur frische Ware gehandelt wird.
Wir verlassen die Gasse mit dem Duft von frischem Blut, Fleisch und Innereien und schlängeln uns langsam aber sicher zurück zu unserem Ausgangspunkt. Wir kehren in einem Restaurant ein, das auf dem Weg zu unserem Riad liegt. Unser Essen Essen ist eine köstliche Tajine mit Huhn und Gemüse, dazu Wasser und zur Verdauung einen marokkanischen Whiskey, also einen Pfefferminztee. Mit 250 MAD nicht gerade billig, aber gut.
Für den nächsten Tag planen wir einen Tagesausflug in das Atlasgebirge. Carmen möchte noch eine Sonnencreme kaufen, unser Vorrat zuhause ist leider in zu großen Flaschen abgepackt, so dass sie für das Handgepäck nicht in Frage kommen. Wir versuchen unser Glück in einer Apotheke, leider verstehen die netten Apothekerinnen kein Englisch und unser Arabisch reicht dafür bei weitem nicht. Also stammle ich etwas von portection solaire – und liege richtig. Dumm nur, dass sie nur einen Lichtschutzfaktor 50 oder 100 haben, aber ganz ehrlich – ich versuche ja auch nicht am Nordpol einen Schneeschieber zu kaufen. Wir geben dieses Unterfangen also auf und kehren erschöpft in unser Riad zurück. Den Rest des Tages entspannen wir und hören auf unserer Dachterrasse den Abenteuern von Kommissar Kluftinger zu.
Lange Tage und angenehme Nächte!
Sascha
Position:Derb Bouajara,Fès Médina,Marokko